Wer vom Gemüseanbau und Gemüsekauf hört, denkt wohl kaum an Watzing bei Kirchanschöring oder Grassach bei Tittmonig.
Doch befinden sich in den beiden kleinen Orten zwei sehr erfolgreiche Gemüsebaubetriebe mit ökologischem Anbau. Und ihr Erfolg basiert darauf, dass sie auf die Kundenwünsche eingehen, die Trends erkennen und in ihren Angeboten umsetzen sowie ein vielfältiges Gemüsesortiment anbauen. Beide befinden sich zugleich im Gebiet der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel und so lag es nahe, dass die Arbeitsgruppe „Ernährungsbildung“ unter der Federführung von Bärbel Forster, ihrer Sprecherin, interessierte Verbraucher und Landwirte zu den Betriebsbesichtigungen bei den Gemüsebauern Hans Glück aus Grassach und Michael Steinmaßl aus Watzing geladen hat.
Beide Gemüsebauern haben einen Hof- bzw. Dorfladen zur Vermarktung ihrer Produkte. Der „Bio Hofladen Glück“ wird von Jutta Staudt-Franzen betrieben, der Biolandwirt Steinmaßl hat seinen Laden „Bio Michi“ im Ortszentrum von Kirchanschöring. Beide machten auch die Erfahrung, dass der Verbraucher beim Einkaufen ein komplettes Lebensmittelangebot von Obst über Fleisch- und Milchprodukte mit Wurst und Käse hin zu den Backwaren und den allgemeinen Produkten zur Lebensführung wünscht. Der Gemüsebauer Steinmaßl fasste es mit den Worten zusammen, als er nach der Ausbildung und dem Praktikum seinen „Regional Bioladen“ aufmachte und ausschließlich regionale Produkte anbot, stand er nach wenigen Monaten wieder vorm Schließen. Die Erkenntnis daraus sei gewesen, die Produktpalette zu erweitern und mit Erfolg den Bioladen weiter betreiben, auch wenn der Schwerpunkt weiterhin auf den selbst erzeugten Produkten liegt.
Der Gemüsebauer Glück hat seinen Betrieb bereits 1981 nach den Richtlinien des Anbauverbands Biokreis umgestellt. Er war damals in der Region einer der ersten Biobauern und durchaus noch ein Pionier in der ökologischen Anbauweise. Heute sei die Beratung ausgebaut und Landwirte, die ihre Produktionsweise umstellen wollten, müssten die Fehler, die in den 80er Jahren durch fehlende Erfahrungen und Informationen zwangsläufig gemacht wurden, nicht mehr wiederholen, sagte Glück. „Mein Ziel war es immer, die Betriebsgröße so zu gestalten, dass ich den Betrieb und die Betriebsabläufe überblicke, und mit dem zu wirtschaften, was ich habe“, sagte Glück. In der Umsetzung bedeutete das, dass er mit 20 Hektar auskam und wie er sagte, damit immer gut gelebt habe, auch wenn es einen gut funktionierenden Hof in seiner Größe „statistisch gar nicht mehr geben dürfe“. Diese Einstellung spiegelt sich auch in einer angepassten, nicht übertriebenen Maschinenausstattung wider. Wichtig sei gewesen, die Segel immer richtig in den Wind zu stellen, so sein sinnbildlicher Vergleich.
In seiner Spitzenzeit hat er auf rund zwei Hektar verschiedene Gemüse angebaut. Heute ist es gut ein Hektar, auf dem er Kartoffeln, Gelbe Rüben, Rotebeete, Zwiebeln und Rettich ausgebracht hat. Auf Kopfsalat verzichtet er, „seit alle Feldhasen aus der Umgebung begeistert zum Flatrate-Fressen zu ihm eingeladen haben“. Als Gemischtbetrieb hat er noch eine Mutterkuhhaltung mit bis zu 30 Rindern und mästet im Jahr durchschnittlich zwölf Schweine sowie im kleineren Umfang Masthähnchen. Anfangs vermarktete er seine Kartoffeln aus der Lagerhalle am Hof. Der unverfälschte Geschmack seiner Biokartoffeln ist ein Zugpferd für viele Verbraucher. Im Wandel der Zeit wollten die Verbraucher eine kontinuierliche Einkaufsmöglichkeit mit einen kompletten Sortiment, so sei der Hofladen mit festen Öffnungszeiten entstanden. Nach einer kurzen Unterbrechung von einigen Monaten ist der Hofladen wieder offen und wird nun von Staudt-Franzen betrieben. Jetzt können sich die Kunden freitags und samstags wieder mit frischen Lebensmitteln versorgen.
Bereits in seiner Lehrzeit zum Zierpflanzengärtner baute Michael Steinmaßl aus Watzing auf einer kleinen Fläche auf dem elterlichen Milchviehbetrieb 2006 Gemüse an und seit 2008 nach den Verbandsrichtlinien von Bioland zirka 40 verschiedene Gemüsearten. Salate, Kohlgemüse, Zucchini, Kürbis, Mangold, Kartoffeln, Lauch, Feldsalat, Grünkohl und Rosenkohl wachsen im Freiland auf einer Fläche von zwei Hektar. Tomaten, Gurken, Paprika, Melonen und Auberginen werden in unbeheizten Folienhäusern kultiviert, in denen Hummeln die Bestäubung übernehmen. Saisonal erweitert sich das Angebot durch Obst von unseren Streuobstwiesen. In den letzten Jahren wurden Anbau und Vermarktung immer weiter ausgebaut. Neben der Direktvermarktung im Gemüseladl und auf den Bauernmärkten beliefert er nach seinen Worten je nach Verfügbarkeit Lebensmitteleinzelhändler und Gaststätten. „Der Bedarf ist so hoch, dass ich bei weitem nicht alle Anfragen erfüllen kann. Wir brauchen mindestens eine Handvoll weitere Biogemüsebauern in unserer Region, und alle könnten davon gut leben“, so die Einschätzung von Steinmaßl.
Gehörte Glück noch zu den Bio-Pionieren, so kann Steinmaßl, der 2012 den Gemüsebau-Meister ablegte, bereits auf einen reichen Erfahrungsschatz setzen und seine Erfahrungen ausbauen. Darum will er ein drittes Treibhaus, um zum einen mehr Flexibilität für sein Gemüseangebot zu bekommen, aber auch Platz zum Ausprobieren, so Steinmaßl. Für seine Anbauphilosophie ist es entscheidend, dass im Umfeld der beiden Treibhäuser die Struktur passt, wie er es ausdrückt, und meint damit, dass durch die Weidehaltung seiner drei Rinder das Gras kurz gehalten wird und durch vielfältige Landschaftselemente wie Hecken und Streuobstbäume, die er in Hofnähe neu angelegt hat, ein optimaler Lebensraum für Nützlinge wie die Marienkäfer oder die Florfliege im Gemüsebau entsteht. Wenn an den Kulturen im Treibhaus Läusebefall auftritt, sind innerhalb kürzester Zeit die Marienkäfer im Treibhaus und machen die Pflanzen frei von Läusen. Das wichtigste Element im Bioanbau bleibt für Steinmaßl ein aktives Bodenleben, das er sehr sorgfältig fördert und pflegt.